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mirbit: "Ich mag es Verantwortung zu übernehmen"
27.12.2021 17:00 TheHotz

Sabit “mirbit” Çoktaşar sitzt aktuell bei Nordavind auf der Bank. Im Interview spricht er über seine Karriere und was er in Zukunft machen möchte.

Seit Anfang August 2021 sitzt Sabit “mirbit” Çoktaşar bei Nordavind auf der Bank. Im ersten Interview-Teil mit mirbit haben wir über sein Projekt die “Esport Akademie” gesprochen, im zweiten Teil geht es nun um mirbits Karriere als Spieler. Auch auf die Unterschiede zwischen der deutschen und skandinavischen Szene geht der 25-jährige Profi ein und ob er in naher Zukunft wieder in einem Team spielen wird.

1HP: Wirst du in naher Zukunft wieder aktiver Teil eines Teams sein?

mirbit: Um komplett transparent zu sein: Ich bin aktuell noch bei Nordavind unter Vertrag und der läuft auch noch einige Zeit lang. Ich habe aktuell keinen finanziellen Druck und bin insgesamt recht zufrieden. Ich habe zahlreiche Anfragen bekommen von deutschen und internationalen Teams, darunter auch viele Angebote von Vollzeit-Teams.

Aber bislang war da kein Angebot dabei, wo ich mir gesagt habe, dass ich mich jetzt wieder komplett auf ein Team fokussieren möchte. Aktuell liegt mein Fokus zu einhundert Prozent auf der Esport Akademie. Da müsste wirklich schon ein sehr verlockendes Angebot kommen, damit ich sage, dass ich wieder so viel Zeit in ein Team investiere.

1HP: Kannst du dir auch vorstellen wieder in einem deutschen Team zu spielen, oder lieber wieder international?

mirbit: Ich sag es mal so: Wenn ich erfolgreich sein möchte und soweit kommen will wie irgendwie möglich, dann bleibe ich von der deutschen Szene fern. Das klingt hart, ist aber meiner Meinung nach aktuell die traurige Realität. Ich habe aber aktuell mehr Interesse an der deutschen Szene und Community. Vor allem die Fusion der 99Liga und ESL Meisterschaft finde ich machte die deutsche Szene wieder etwas interessanter.

In Deutschland ist es schlichtweg schwierig als Spieler in meiner Situation. Ich war schon ein paar Mal deutscher Meister und habe international mit einigen Teams schon die Top-30 erreicht. Da bin ich als Spieler doch schon etwas weiter, als so die durchschnittlichen Teams der ersten Division in Deutschland. Da ist dann die Frage, mit welchen Spielern man zusammenspielt und auch die finanzielle Frage ist so eine Sache, da es nur wenige Organisationen in Deutschland gibt, die Vollzeit-Teams unter Vertrag haben.

Grundsätzlich habe ich aber mehr Interesse, wieder in einem deutschen Team zu spielen als in einem internationalen Roster.

1HP: Was bräuchte es denn aus deiner Sicht, damit es wieder mehr deutsche Teams unter den Top-30 gibt?

mirbit: Ich denke, einigen Teams fehlt so ein bisschen der Plan. Die „erfahrenen“ Spieler, sind meistens Spieler, die international noch nicht mal sehr erfolgreich waren. Das, was sie an Erfahrungen an jüngere Spieler weitergeben können, ist meistens nur das, was sie in der deutschen Szene gesammelt haben. Inwiefern kann man da dann wirklich jüngeren Spielern bei ihrer Entwicklung wichtige Erfahrungen mitgeben.

Wenn man zum Beispiel BIG anschaut, da hat man Spieler wie zum Beispiel tabseN, die schon auf dem höchsten Level gespielt haben und immer noch spielen. Wenn dort ein junger Spieler aufgenommen wird, ist das etwas ganz anderes, da die BIG-Spieler wirklich bereits die Erfahrung gemacht haben, wie es ist, vor Tausenden Fans zu spielen und große Turniere zu gewinnen. Da kann man als junger, noch unerfahrener Spieler wirklich was lernen.

Man müsste insgesamt mehr auf die nächste Generation setzen und nicht zu sehr auf die alte Garde. Da ist man etwas zu gemütlich und nimmt lieber einen älteren Spieler, weil man sich sagt, dass der mehr Erfahrung hat.

Erfahrung ist wichtig in einem Team, keine Frage. Ich habe aber das Gefühl, dass viele deutsche Teams dazu tendieren, immer wieder die gleichen Leute zu picken. Es kristallisieren sich immer wieder neue Talente raus. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass Spieler wie s1n, Krimbo, kyuubii, marix und so weiter in naher Zukunft mal zusammenspielen, statt dass man immer wieder die gleichen Spieler pickt.

1HP: Du hast zuletzt bei Nordavind gespielt, wie unterscheidet sich die skandinavische Szene von der deutschen?

mirbit: In sehr vielen Aspekten unterscheiden sich skandinavische Spieler von Deutschen. Aber auch die Estländer Kevin “HS” Tarn und Anton “supra” Tšernobai, mit denen ich gespielt habe, unterscheiden sich deutlich von den typischen deutschen Spielern.

Die Estländer beispielsweise waren als Personen sehr ruhig. Sie reden nicht sehr viel, machen aber auch so gut wie nie Stress. Die Skandinavier sind meistens sehr taktisch versiert, was durchaus mit der deutschen Spielkultur zusammenpasst.

Was mir bei den Dänen Daniel “mertz” Mertz und Jesper “tenzki” Mikalski aufgefallen ist, ist, dass die Spieler im Vergleich zu deutschen Profis, mit Ausnahme von Sprout- und BIG-Spielern, vom Mindset deutlich weiter sind. Sie wissen ganz genau, was sie in einem Team abliefern müssen, wie man miteinander umgeht in einem Team und worauf es insgesamt eben ankommt. Sie sind beispielsweise auch meistens sehr vorsichtig in ihrer Ausdrucksweise, gleichzeitig aber auch sehr zielstrebig.

Was ich zum Beispiel oft in deutschen Teams erlebt habe, und was sich aus meiner Sicht ändern muss, ist, dass deutsche Teams oft zu sensibel und sehr kleinlich sind. Ich habe es zum Beispiel schon erlebt, dass wir ein Match verloren haben und am nächsten Tag im TeamSpeak hat dann eine Person gesagt, sie habe unser Problem gelöst, indem sie einen neuen Execute hinzugefügt hat. Dann sitzt man vielleicht 20 Minuten auf dem Server, um über den Execute zu reden, statt die eigentlichen Probleme zu besprechen. Das liegt dann aber teilweise auch wieder daran, dass es manche Spieler einfach nicht besser wissen, worauf es wirklich ankommt.

1HP: Stand es zur Debatte, dass du längerfristig bei Eternal Fire spielst?

mirbit: XANTARES hatte mich angeschrieben und gefragt, ob ich für ein Turnier einspringen kann, weil ein Spieler abgesprungen ist und sonst niemand verfügbar war. Mir war von Beginn an bewusst, dass ich in einem solchen Team nur dauerhaft spielen würde, wenn ich der Ingame-Leader bin. Ansonsten würde ich mich in einem solchen Roster einfach nicht reinpassen.

Ich denke, dieses Team und auch türkisches CS allgemein hat eine ganz andere Spielstruktur, als ich sie bislang gekannt habe. Türkisches CS hat beispielsweise viel mehr mit Momentum zu tun und auch der Teamspirit ist anders, vor allem sehr emotional. Das ist nicht unbedingt etwas Negatives, aber ich müsste in so einem Team der Ansager sein, damit das funktioniert und Sinn ergibt.

1HP: Was macht denn die Rolle des Ansagers besonders für dich?

mirbit: Ich mag es auf jeden Fall Verantwortung zu übernehmen. In jedem Team, in dem ich bislang gespielt habe, habe ich auf irgendeine Art und Weise Verantwortung übernommen. Es muss nicht immer auf dem Server gewesen sein, aber zum Beispiel auch mal in Bezug auf Arbeit abseits des Servers.

Als ich Ansager bei Nordavind war, habe ich gemerkt, dass ich noch mehr Einfluss haben kann mit meinem Arbeitspensum auf das gesamte Team. Eine der größten Erkenntnisse war, dass es viel wichtiger ist, einen Teamcaptain zu haben als einen Ingame-Leader. Meistens liegen beide Funktionen bei der gleichen Person aber vor allem die Aufgabe eines Teamleaders, der dafür sorgt, dass alle Spieler an einem Strang ziehen, ist eben sehr wichtig. So nach dem Motto: „Lieber führen fünf Spieler einen schlechten Plan gemeinsam aus, als dass fünf Spieler ihren eigenen Plan ausführen.“

1HP: Wie war es als Standin mit Endpoint im Oktober endlich mal wieder auf LAN zu spielen?

mirbit: Die IEM Fall in Stockholm war ein klasse Event. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Spaß am Verlieren. Wir haben gegen Heroic 12:16 verloren und nach dem Spiel dachte ich mir nur, dass das ein richtig geiles Match war. Jeder der mich kennt weiß, dass ich sehr ehrgeizig bin und wenn nach einer Niederlage sowas von mir kommt, dann ist das schon was Besonderes.

Allein in diesem Hotel mit allen anderen Spielern und Teams zu sein hat sich angefühlt, als wären wir alle eine große Esport-Familie. Ständig konnte man Leute treffen und gegeneinander Counter-Strike spielen, das war einfach eine geniale Erfahrung. Die Jungs von Endpoint sind auch sehr lustige und talentierte Spieler, was das Ganze natürlich noch besser gemacht hat.

Das Event insgesamt war für mich auch sehr spontan. Ich wurde abends gegen 22 Uhr angerufen und am nächsten Tag saß ich im Flieger nach Stockholm.

1HP: Spielst du lieber LAN oder Online?

mirbit: Definitiv auf LAN. Auf LAN zu spielen ist etwas ganz anderes als Online, vor allem wenn man auch noch vor Zuschauer spielt, da ist der Druck einfach höher. Ein großes LAN-Turnier zu spielen ist etwas wovon denke ich jeder CS-Spieler träumt. Online ist einfach weniger Druck da und dadurch gibt es zum Beispiel immer mal wieder Teams, die absolut verrückte Siegesserien hinlegen, einfach weil sie sich daheim sehr wohl fühlen. Sobald dann wieder auf LAN gespielt wird, fangen solche Teams dann an zu zittern.

Wenn man sich als Spieler und Team beweisen will, dann muss man das auf LAN machen. Jeder ambitionierte Spieler will auf einer Bühne vor Zuschauern spielen.

1HP: Was hältst du von der Zusammenlegung der ESLM und 99Liga?

mirbit: Ich gehört zu denjenigen, die schon vor langer Zeit gesagt haben, dass es Schwachsinn ist, zwei deutsche Ligen zu haben. Da ging für mich damals auch ein bisschen der Reiz an den deutschen Meisterschaften verloren, da zum Beispiel Teams wie aTTaX aus der 99Liga ausgestiegen sind. Auch war es immer so eine Sache: Ist der 99Liga-Sieger der deutsche Meister, der ESLM-Sieger oder vielleicht beide?

Es war bislang auch einfach immer sehr anstrengend für die Teams mit drei bis vier Officials die Woche durch 99Liga und ESLM, wo man dann auch noch gegen die gleichen Teams immer wieder spielt. Das hat bislang einfach gar keinen Sinn gemacht und es wurde auch für die Zuschauer immer uninteressanter immer die gleichen Teams zu sehen, wie sie gegeneinander spielen.

Wir hatten mal einen Rekord, da haben wir innerhalb von einer Woche in der ESEA Premier, der 99Liga, der ESLM und einem ESL Qualifier gegen expert gespielt vor ein paar Jahren. Sowas wird dann irgendwann einfach nur absurd und ist einfach nicht so interessant, wie wenn ein Mal alle paar Monate Sprout gegen cowana Gaming spielt und man sieht wer gerade wirklich besser ist.

Foto: Nordavind

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