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Ist Deutschlands glorreiche CS-Zeit für immer vorbei?
20.10.2024 15:05 TheHotz

Mehrere Vollzeitteams und über 100.000 Euro Preisgeld pro Jahr: Sind die goldenen Zeiten für immer vorbei?

Alle Jahre wieder wird in der deutschen Counter-Strike-Szene über die einst glorreichen und erfolgreichen Zeiten geschwärmt. Über Zeiten, in denen allein in Deutschland gleich mehrere Vollzeitteams an den Start gingen und um Slots bei der IEM Cologne, Mountain Dew League und anderen internationalen Wettbewerben spielten. Zeiten, in denen die großen Ligen und Wettbewerbe Deutschlands gemeinsam über 100.000 Euro pro Jahr in Preisgeldern ausschütteten. Der Höhenflug ist inzwischen seit einigen Jahren abgeklungen und anstelle der blendenden Euphorie hat sich - auch bei mir - Pessimismus und trübselige Akzeptanz breit gemacht. Ein Blick auf den Niedergang und die aktuelle Situation.

Es mangelt an neuen Spielern

Ein zentrales Problem in Deutschlands CS-Szene ist der Mangel an neuen Spielern und damit auch an neuen Talenten. So löblich die Ambitionen der esport player foundation und Programmen wie BIG Selecta sind, scheinen sie doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein. Allein in der neuen deutschen Top-Liga, den DACH CS Masters, sehen wir in der obersten Spielklasse die gleichen Gesichter wie bereits in der 99Liga und der ESLM. Fun Fact am Rande: tahsiN, tabseN und Spiidi haben sowohl in der ersten CS:GO ESL Meisterschaft in 2015 gespielt, als auch bei den DACH CS Masters im Jahr 2024.

Ein kurzer Blick auf die Teams der DACH CS Masters Spielklasse #1 verrät schon viel über den Zustand der Szene. Die letzten beiden Vollzeitteams überrollen das restliche Teilnehmerfeld, dahinter mit XPERION NXT das einzige Team, das so richtig auf junge Talente und frisches Blut gesetzt hat. Dann haben wir Teams wie SSP, das sich gegen das erfolgreiche Lineup rund um OneLion entschieden hat, um stattdessen tahsiN aus der Mottenkisten auszugraben.
Oder aber die Teams, die sich dank ausländischer Hilfe über Wasser halten können in Form von WAVE und mYinsanity, deren Organisationen man in punkto Repräsentation und Engagement auf Social Media aber leider eine 6- verpassen muss. Ebenfalls auf zwei nicht-DACH-Spieler setzt ARROW, das dafür immerhin auf ESEA Advanced-Niveau spielen kann und nicht im Main-Mittelfeld dümpelt wie der Rest.

Interessant ist der Aufsteiger eSports Cologne, der aller Voraussicht nach die Saison ohne Punktgewinn beenden wird. Hier hätte ein neues Team samt neuer Orga die Chance gehabt, sich zu präsentieren in der höchsten Spielklasse Deutschlands. Das Team hatte sich in den letzten zwei Jahren aus der früheren dritten Division der ESLM bis in die erste Spielklasse der DACH CS Masters hochgespielt. Leider entschieden sich die Spieler dann nach tausenden Stunden Zeit-Investment in CS und einem krankheitsbedingten Spielerausfall ihren bisher größten Erfolg zu verdaddeln. Vor der wirklichen Herausforderung es mit Deutschlands Besten aufzunehmen hat sich damit einmal mehr ein aufstrebendes Team gedrückt. Stattdessen gibt man sich einmal mehr mit belangloser Mittelmäßigkeit zufrieden. Ein Team ohne Ambitionen sollte niemals in der höchsten Spielklasse dabei sein und ist leider nur reine Zeitverschwendung für alle Beteiligten.

Abgerundet wird das Teilnehmerfeld durch regnum4games, das ähnlich wie eSports Cologne auf dem Weg in die zweite Spielklasse ist. Hier trifft die Bezeichnung "Wo Licht ist, ist auch Schatten" wohl den Nagel auf den Kopf. Einerseits gibt sich die Organisation allen Anscheins nach viel Mühe, sich und ihre Spieler professionell zu repräsentieren. Auch das Team hat sich mehr getraut als alle anderen und mit Spielern mit kinQ, catf1sh und BlacKi frisches Blut in die oberste Spielklasse gebracht. Gleichzeitig verbringen einige der Spieler aber lieber ihre Zeit mit toxischen Podcast-Beiträgen, in denen andere Teams und Spieler schlecht geredet werden. Selbst geht man dabei sang- und klanglos bei den DACH CS Masters unter, landet in der ESEA Main nur im Mittelfeld und ist dort damit schlechter als das hauseigene Academy-Team. Licht und Schatten eben.

HLTV ranking 2019

Acht deutsche Teams im HLTV-Ranking Ende 2018

Die große Illusion der deutschen Teams

Führen wir die Betrachtung der deutschen Teams unter einem weiteren Aspekt einmal fort. Unter den deutschen Teams haben wir aktuell zwei Vollzeitteams. Lässt man diese mal außen vor, gibt es noch ein weiteres Team mit ARROW, das in der ESEA Advanced auf einem gehobenem Niveau mitspielt. Aktuell sind dort 80 Teams vertreten, darüber weitere 24 Teams in der ESL Challenger League. Spielt man nicht in der Advanced, so ist man ergo nicht einmal unter den besten 100 Teams in der größten europäischen Liga. Zusammen mit den europäischen Top-Teams, kann man den Rahmen auf mindestens 120 Teams erweitern.

Spielt ein Team nun in der ESEA Main mit, so kann man sich rühmen, unter den Top300-Teams in Europa zu sein. Nur wenn man die Playoffs der ESEA Main erreicht, kann man zumindest von einem Top170-Team reden. Das ist verdammt weit weg von der Spitze und noch weiter weg von großen Erfolgen und Auszeichnungen. Selbst Deutschlands zweitbestes Team ALTERNATE aTTaX hat es in diesem Jahr bislang nicht über Platz 51 der HLTV Weltrangliste geschafft und mit der CCT Season #9 den ersten internationalen Turniersieg seit 2020 geholt. Damit ist man zwar um Welten besser als alles was aus Deutschland danach kommt, aber leider auch noch ein gutes Stück von der Spitze und regelmäßigen Erfolgen entfernt. HLTV hat vor etwa einem Jahr sogar das nationale Ranking für Deutschland entfernt, da wir schlichtweg nicht mehr genug gute Teams haben.

Weder das DE-Team in der ESEA Main, noch ein ALTERNATE aTTaX, das an den Top50 der Weltrangliste nagt, vermag es daher durch sportliche Leistungen aus der Masse an internationalen Teams herauszustechen. Wie sollen so Fans gewonnen oder Begeisterung für die nationale Szene entfacht werden, wenn man einfach in der großen Masse an Teams, Spielern und Turnieren untergeht? Welcher Sponsor sollte Interesse an einem Team haben, das weder sportlich überzeugt noch durch seine große Reichweite glänzt?

pro calendar

Kalender der Profi-Events 2025 - Quelle: Reddit u/absol-hoenn

Wer ist Schuld am Untergang?

Es gab natürlich die Zeiten, in denen wir teilweise vier deutsche Teams in der Mountain Dew League (heute ESL Challenger League) hatten und damit gegen tatsächlich nennenswerte Gegner spielten. Doch die Zeiten sind längst vorbei, denn inzwischen kann selbst ein ALTERNATE aTTaX nicht mehr zuverlässig in der zweithöchsten Liga mitspielen, sondern muss sich derzeit wieder aus der ESEA Advanced hochspielen. Mit anderen Worten: Die deutschen Teams spielen inzwischen auf einem deutlich niedrigeren Niveau als einst.

Obendrein ist der Zustand der deutschen CS-Szene ja kein exklusives Problem. Ein Blick nach Österreich und die Schweiz zeigt, dass auch dort schon lange nichts mehr rund läuft. Die Zeiten der alpenScene Staatscups sind schon seit Jahren vergessen und die Schweiz ist von teilweise drei gleichzeitig laufenden nationalen Ligen auf keine einzige mehr geschrumpft. Auch weitere Länder und andere Spieletitel wie League of Legends sind unlängst davon betroffen, dass die nationalen Wettbewerbe und Szenen abbauen und an Interessenten verlieren. Mit Blick auf das kommende Jahr und einem noch volleren Kalender für die Profiszene scheint es noch aussichtsloser zu werden für Turniere wie die DACH CS Masters sich neben wöchentlichen Profiturnieren der ESL, PGL und Co. sich zu profilieren.

Dass dazu auch noch mindestens suboptimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen derzeit existieren, die Kürzungen von Sponsorengeldern zur Folge haben sowie noch immer schlechte politische Situation des Esports sind natürlich verstärkende Faktoren.

Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind schnell identifiziert, denn egal ob Spieler, Veranstalter oder Organisation, alle Akteure der Szene leiden darunter. Manche etwas mehr, andere weniger. Wieder andere haben die Chance ergriffen und sich ihren Platz im "DECS Ödland" erkämpft, siehe DACH CS Masters oder XPERION NXT. Im Allgemeinen fehlt es allerdings trotz Nachwuchsförderung, neuer Liga, LAN-Events und endlosem Zeit-Investment von Freiwilligen und Fans noch immer am nötigen Aufschwung. Die nächsten Jahren werden demnach eine entscheidende Phase sein bei der Frage ob nationale Meisterschaften und die "DECS-Szene" wie wir sie kennen noch einen Platz hat im CS-Kosmos haben.

1 Kommentar
z4nn1ch 1 Monat her

danke, super Beitrag...bin zwar aktuell weder in der Szene aktiv, noch war ich es jemals, aber es macht mir Lust dem ganzen eine Chance zu geben....aber dafür muss Valve auch noch ein paar Schritte mehr gehen. Leider

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