Hype-Trailer, neues Format und Horstor als Caster: Die ESL Meisterschaft hat einiges besser gemacht. TheHotz' Fazit zur Herbstsaison.
Nach der Frühlingssaison der damals noch als "ESLM by 99Damage" bekannten deutschen Meisterschaft musste die ESL und vor allem Veranstalter Freaks 4U Gaming viel Kritik hinnehmen. Das neue Produkt nach der Fusion aus 99Liga und ESL Meisterschaft, war weit hinter den Erwartungen der Community zurückgeblieben und hatte zahlreiche Fehler bei der Produktion und anderen Bereichen. Zur Herbstsaison machte man dann seitens Freaks 4U vieles anders und ging teilweise auf die Kritik ein. 1HP-Redakteur und Gründer Christian "TheHotz" Hotz hat sich die Entwicklung angeschaut und auch in der Community nachgefragt.
Das neue Format: Gute Idee, aber keiner versteht's
Generell waren die Neuerungen alle ein Schritt in die richtige Richtung, was auch eine von 1HP durchgeführte Umfrage zeigt. Von 98 Teilnehmern der Umfrage fanden nur etwa 20 Prozent der Befragten das neue Format schlecht bis sehr schlecht. 47,4 Prozent fanden das neue Format unterhaltsamer als in der vorangegangenen Saison. Auch hat das neue Format definitiv sein Ziel erreicht, denn die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass durch das neue Format die zweite Saisonhälfte spannender war als sonst.
Die Diskussion rund um das Format der ESL Meisterschaft ist stets eine schwierige für die Verantwortlichen der ESLM. Auf unsere Frage, welches Format denn künftig gespielt werden sollte, sprachen sich 40,5 Prozent für das aktuelle Format aus, während 51,2 Prozent sich die Umstellung auf ein klassisches Ligaformat mit einer großen Round Robin Gruppe wünschen.
Da Hauptproblem des neuen Formats war allerdings nicht das Format selbst, sondern die Kommunikation dazu. Über 70 Prozent der Befragten sprachen der ESLM ein schlechtes Zeugnis aus bei der Frage ob das neue Format durch die offiziellen Kanäle der ESL Meisterschaft gut erklärt wurde. Einer der Gründe dafür ist zweifellos die Tatsache, dass auf der ESL-Webseite lange Zeit keine Spur der zwei unterschiedlichen Gruppenphasen war. Auch auf die Frage, ob die Befragten sich durch die ESLM gut informiert gefühlt haben gibt es von 78 Prozent ein negatives Urteil. Für die 99Liga gab es einst Tutorialvideos dazu wie man sich als Team anmeldet, ready setzt und vieles mehr. Solche kreativen Aufbereitungen fehlen der Liga, abgesehen vom Hype-Trailer vor Saison.
Vor allem mit Blick auf die Tatsache, dass sich der Großteil der Befragten nur ein bis zwei Mal pro Woche über die ESLM informiert und auch nur einmal pro Woche den Stream schaut, muss es für ein Neues und doch recht komplexes Format leicht zugängliche Erklärungen seitens der Liga geben.
Gut gestartet, aber leider nachgelassen
Mit dem neuen Format, den Media Days und einer Menge Elan lief die Saison richtig gut, vor allem während der ersten Saisonhälfte. Regelmäßige Videos mit den verschiedenen Teams landeten auf Twitter, darunter Minigames, Teamvorstellungen und vieles mehr. Mit Horstor hatte man ein bekanntes und beliebtes Gesicht der Counter-Strike-Szene zurückgebracht und dank ANATY Productions eine klasse Produktion für jeden Spieltag. Es lief einfach gut.
Zur zweiten Saisonhälfte wurde es dann leider immer schwieriger, über die Liga zu schreiben und Interesse zu wecken. Denn plötzlich fehlte der Liga die nötige Zeit und Spieltage mussten zusammengefasst werden. Statt maximal zwei Partien parallel auszutragen, fanden nun manchmal drei Partien gleichzeitig statt, beziehungsweise gleich sechs Partien und zwölf Maps an einem Abend. Bei zwei Saisons pro Jahr kann es nicht sein, dass plötzlich zu wenig Zeit ist und sechs Matches an einem Tag ausgetragen werden müssen. Durch die Verringerung auf zwei Seasons pro Jahr muss den Teams mit den zur Verfügung stehenden Matches eine möglichst große Plattform geboten werden. Mit anderen Worten: Das Niveau der ersten Saisonhälfte muss künftig bis zu Ende aufrecht erhalten werden. Dass dann plötzlich keine Zeit mehr ist um die Saison in ihrer vollen Länge auszuspielen, darf nicht wieder passieren.
Auch die bereits absehbaren Probleme mit dem Scheduling während der Online-Finals trugen nicht zum Ruhm der Liga bei. Drei Best-of-Three-Matches an einem Tag waren schon beispielsweise bei der UNITED Pro Series 2021 in Hamburg sportlich, da startete man aber einige Stunden früher als die ESLM während der Online-Playoffs. Letztlich mussten die ONYX Talents am Sonntagabend um 23:45 Uhr noch ein Best-of-Three gegen Sprout spielen mussten, obwohl sie bereits um 6 Uhr wieder aufstehen mussten um auf Arbeit zu erscheinen. Damit endete eine sonst starke Saison der ONYX-Spieler auf bedauernswerte Art und Weise. Erst zu den LAN Finals in Hannover konnte die ESLM der Saison dann einen würdigen Abschluss bieten und eine gute Show an den Tag legen.
Der Cheating-Skandal rund um die Partydaddler zum Ende der Saison half dann ebenfalls nicht, dass die reguläre Saison einen guten Abschluss fand, was allerdings außer Kontrolle der Liga lag. Hier ist zu hoffen, dass die Änderungen am Regelwerk es künftig ermöglichen härter durchzugreifen. Hier wurde zwar angekündigt, dass die ESL die Änderungen schon bald durchführen wird, doch hier gibt noch immer kein Update. Hier muss Freaks 4U und die ESLM hoffen, dass zumindest bis zum Start der nächsten ESLM-Saison ein Update zum Regelwerk kommt.
Sowohl die Scheduling-Probleme während der Finals, als auch die Cheating-Skandale rund um die Partydaddler-Spieler wurden dabei durch Coverage-Partner 99Damage entweder gar nicht oder nur teilweise aufgegriffen, während auf den ESL-Kanälen ohnehin keine Informationen zur Meisterschaft geteilt werden, beziehungsweise fast ausschließlich Inhalte des Coverage-Partner geteilt werden. Die unvollständige Berichterstattung ist dementsprechend ebenfalls ein Problem, da Zuschauer nicht genau darüber informiert werden was wirklich passiert. Das spiegelt sich auch in unserer Umfrage wieder, hier haben 46 Prozent angegeben, dass sie sich während der Saison nicht gut informiert fühlten.
Mangelndes Engagement der Organisationen
Während ich nach der Frühlingssaison hauptsächlich an der ESL Meisterschaft Kritik geübt habe, ist es diesmal auch Zeit, die Organisationen mehr in die Pflicht zu nehmen, nachdem man seitens der Liga bereits Verbesserungen anstrebt. Denn eine Frage aus unserer Umfrage zeigt deutlich, dass es egal ist, wie die Liga heißt, sondern viel auf die spielenden Teams ankommt. Denn auf die Frage, warum man überhaupt ESLM-Matches schaut, antworteten lediglich zehn Prozent, dass es aus Interesse an der Liga ist. 32 Prozent hingegen schauen die Matches aufgrund eines Lieblingsteams und weitere 41 Prozent aus Interesse an deutschem Counter-Strike, also aufgrund der Akteure auf und abseits des Servers.
Somit liegt es auch in der Verantwortung der Teams, die Liga interessanter zu gestalten, da die meisten eben aus Interesse an Ihnen zuschauen. Doch auf Social Media leisten viele der Organisationen nur das Nötigste. Ein Announcement zum Match, ein Ergebnispost und noch ein bis zwei Clips aus dem Spiel, fertig ist die Social Media-Arbeit eines ESLM-Erstligisten. Dass das nicht reicht, um Reichweite und Zuschauer zu generieren ist selbsterklärend. Schaut man sich die ESLM-Erstligisten an kann man eigentlich nur ALTERNATE aTTaX und ONYX ein gutes Social Media-Zeugnis geben, wobei man bedenken muss, dass beispielsweise bei BIG und Sprout der Fokus eben nicht auf der ESLM liegt, aber generell eine gute bis sehr gute Arbeit geleistet wird. Andere Organisationen wie DIVIZON, Morekats und die Sissi State Punks liefern zumindest immer wieder interessante Ideen und Postings, schaffen es aber nicht kontinuierlich Content zu liefern und dadurch interessant zu bleiben.
Das gleiche Bild spiegelt sich auf bei unserer Frage nach den Lieblingsteams wieder. Die meisten Fans haben demnach die ONYX Talents mit 25,3 Prozent, gefolgt von BIG-Academy (13,7%), Morekats (13,7%), Sprout (7,5%), DIVIZON (8%) und aTTaX (5%) und SSP (4%).
Stiefmütterliche Behandlung der unteren Divisionen
Ein quälendes Problem der deutschen Meisterschaft ist inzwischen seit einigen Seasons der Unterbau. Mit jeder Season wird inzwischen ein neuer Tiefstand an angemeldeten Teams erreicht und eine Umkehr dieser Entwicklung ist eher nicht in Sicht. Denn gerade für die unteren Divisionen scheint es als fehle aktuell der Plan und die Vision, wie es in Zukunft aussehen soll. Die zweite und dritte Division werden zwar kommende Saison wieder schrumpfen und sollen dadurch kompetitiver werden, gleichzeitig aber zieht sich Freaks 4U mit dem hauseigenen Produkt 99Damage aus der zweiten Division mehr und mehr zurück. So wurden diese Saison nur noch zwei Partien pro Spieltag durch den Veranstalter übertragen, während einst fast alle Matches durch das umfangreiche 99Damage Casterprogramm abgedeckt wurden. Mit dem Ende der "99Damage Talentschmiede" wird es künftig wohl auch keine Änderung geben in Bezug auf die Berichterstattung zur zweiten Division.
Auch in punkto Berichterstattung wird die ESLM in unserer Umfrage abgestraft. So sind lediglich acht Prozent der Befragten der Meinung, dass die Coverage durch die offiziellen ESLM-Kanäle zur zweiten Division gut war. Da 99Damage lediglich Coverage-Partner der Liga ist, sind lediglich ESL-Webseiten und Kanäle gemeint bei unserer Frage nach offiziellen ESLM-Kanälen.
Dabei ist durchaus großes Interesse an den unteren Divisionen vorhanden, in unserer Umfrage gaben etwa 44 Prozent an sich für die zweite Division und darunter zu interessieren. Auch unsere Frage welche deutsche Liga denn die Befragten am meisten interessiert zeigt ein interessantes Bild. Hier dominiert zwar die ESLM mit 83 Prozent, auf dem zweiten Platz landet aber die Demolition League mit 9,5 Prozent. In der Demolition League spielen ausschließlich Teams, die sonst in der dritten Division der ESLM und darunter spielen.
Die 99Liga war einst das Grundgerüst des deutschen Counter-Strike mit über 2000 teilnehmenden Teams und ist auch heute noch mit über 700 Teams mächtig groß. Doch die Abwärtsentwicklung geht stetig voran und begann auch schon bevor es andere Spiele wie Valorant gab. Ein neues Konzept muss her für die unteren Divisionen der deutschen Meisterschaft, um junge Spieler wieder zu fesseln und ihnen möglichst bald eine Plattform zu bieten. Andere Veranstalter in Deutschland haben beispielsweise unlängst eine Academy Liga für junge, deutsche Spieler ins Leben gerufen.
Alle müssen mithelfen
Das Fazit? Die Liga wurde mit der vergangenen Saison besser, muss sich aber noch immer steigern und hat in bestimmten Punkten wie der besseren Planung der Spieltage oder des Finals-Schedule definitiv noch Nachholbedarf. Allein die offizielle Ligawebseite muss endlich mal ein Update erhalten und während der Saison die wichtigsten Informationen parat haben, wie es die Demolition League auch schafft. Gleichzeitig müssen nun auch die Organisationen der ersten Division nachziehen und durch bessere Arbeit auf den Social Media Kanälen helfen, wieder mehr Reichweite für die Liga zu generieren.
Allein im Jahr 2022 haben wir mir eSport Rhein-Neckar, TT willhaben, No Limit Gaming, cowana Gaming und plan-B esports wieder eine Reihe teils wertvoller Organisationen verloren und schon jetzt ist klar, dass nicht alle Organisationen der ersten Division auch kommendes Jahr wieder dabei sein werden. Um diesen Trend zu stoppen, müssen sich neben der Liga alle Organisationen und Spieler der ESL Meisterschaft mehr engagieren. Vom spielerischen Niveau, über bessere Orgaarbeit und Verbesserungen an der Liga bedarf es in vielen Punkten Nachholbedarf.
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