Wie steht die deutsche Counter-Strike-Szene im internationalen Vergleich da? MatWho hat sich dieser Frage in seinem Blog gewidmet.
Auf seinem kürzlich veröffentlichten Blog "This is Counter-Strike" schreibt Autor "MatWho" über verschiedene Themen rund um Counter-Strike. In seinem ersten Artikel hat er sich mit der Frage beschäftigt, wie es um die deutsche Counter-Strike-Szene steht im Vergleich zu den anderen Ländern Europas und der Welt. Den Orginalartikel vom 31. August findet ihr auf MatWhos "This is Counter-Strike"-Webseite.
Im August 2022 stellte die deutsche Organisation Sprout zwei Neuzugänge für ihr CS:GO Roster vor. Es handelte sich um die Spieler Christoph "red" Hinrichs und Patrick "P4TriCK" Zaremba, welche eigens für die Teilnahme an der ESL Herbstmeisterschaft in Ergänzung zum bereits aus fünf Spielern bestehenden internationalen Stamm-Lineup verpflichtet wurden. Im Rahmen der entsprechenden News auf sprout.gg wurden auch die Entscheidung für ein internationales Roster und die Hintergründe dafür sehr transparent erläutert:
[...] However, this restructuring was a necessary step in order to assert ourselves internationally. We are aware that the majority wants to see us represented by German players as much as possible. Unfortunately, it is currently not possible to keep two German line-ups constantly in the Top 20, as the past has already shown [...]
Provokativ ausgedrückt: Die deutsche CS:GO-Szene beheimatet nicht mehr als eine Handvoll Spieler, die in der Weltspitze auf höchstem Niveau bestehen können, sodass sich deutsche Organisationen im Ausland nach Alternativen umsehen müssen.
Solche oder ähnliche Aussagen sind nicht neu. Bereits vor über fünf Jahren vollzog ein anderes deutsches Spitzenteam, MOUZ, mit der gleichen Begründung den Schritt in die Internationalität. BIG ist als einzige Organisation mit einem ausschließlich deutschen Lineup in den Top 100 der CS:GO-Weltrangliste (ESL-Ranking) vertreten. Im Gegensatz dazu spielen selbst große Namen aus der deutschen Szene wie z.B. ALTERNATE aTTaX außerhalb der deutschen Szene nahezu keine Rolle mehr...
Für mich stellt sich nun die Frage, ob Deutschland im internationalen Vergleich wirklich über schwächeres "Spielermaterial" verfügt oder, ob wir vielleicht sogar besser dastehen, als man landläufig meint...
Deutsche Spieler in Spitzenteams:
Um uns einen ersten Eindruck hinsichtlich der deutschen CS:GO-Spieler in der Weltspitze zu verschaffen, habe ich jeweils die Top 30 Teams der beiden Weltranglisten (HLTV und ESL) hinsichtlich der Nationalitäten der Spieler und ausgewertet. Da sich hierbei nur minimale Differenzen ergaben, beschränke ich mich im hiesigen Artikel argumentativ auf die Weltrangliste von HLTV.org.
Aktuell sind dort "nur" sieben deutsche Spieler (5x BIG, 1x MOUZ, 1x Sprout) unter den 150 Spielern aller Top 30 Teams weltweit vertreten. Doch sind diese nackten Zahlen isoliert betrachtet aussagekräftig?
Damit sinnvolle Vergleiche angestellt werden können, müssen zunächst die Rahmenbedingungen hierfür festgelegt werden. Meiner Meinung nach macht es aufgrund völlig unterschiedlicher struktureller Gegebenheiten keinen Sinn die deutsche CS-Szene der russischen- (29 Spieler bei Top 30 Teams) oder brasilianischen Szene (19 Spieler bei Top 30 Teams) gegenüberzustellen. Alleine aufgrund der jeweiligen geografischen Lage und politischen Situation "müssen" Organisationen beider Länder primär auf Spieler aus dem eignen Land bzw. der Region zurückgreifen.
Drei der vier in den Top 30 der HLTV Weltrangliste vertretenen brasilianischen Teams, FURIA, Imperial und MIBR setzen ausschließlich auf Spieler aus dem eigenen Land. Auch das Lineup der vierten brasilianische Organisation, 00NATION, besteht aus vier Braslianern und dem Spieler "try" aus Argentienien.
"Wir" im europäischen Vergleich
Zielführend scheint folglich nur ein Vergleich innerhalb des geografischen Europas (ohne Ukraine) und insbesondere mit unseren unmittelbare Nachbarländern: Europäische Nationen stellen meiner Auswertung nach 73 Spieler für die Top 30 Teams weltweit. Bis auf zwei Legionäre, welche bei amerikanischen Teams spielen - "YEKINDAR" bei Liquid und "hallzerk" bei Complexity - stehen aktuell alle europäischen Spieler bei Organisationen aus der alten Welt unter Vertrag.
Die meisten EU-Spieler stammen mit großem Abstand aus unserem nördlichen Nachbarland Dänemark (22 Spieler). Neben zwei komplett dänischen Lineups, den Teams von Astralis und Heroic, findet man in nahezu jedem internationalen Lineup einen oder sogar mehrere Spieler aus Dänemark. Prominente Beispiele hierfür sind z.B. "karrigan" vom FaZe-Clan oder die beiden Vitality-Spieler "dupreeh" und "Magisk".
Deutschland befindet sich im europäischen Vergleich hinter Frankreich (12 Spieler, davon 5x HEET, 5x Falcons und 2x Vitality) auf Rang 3. Im weiteren Verlauf folgen Spanien und Schweden mit sechs bzw. fünf Spielern. Das eigentlich "CS-verrückte" Polen wird aktuell nur von zwei Spielern in den Top 30 Teams der Welt vertreten ("F1KU"/OG und "dycha"/ENCE).
Deutschland ist vor Spanien und Schweden in den "Top 3" - also viel Wirbel um nichts?
Um nun abschließend festzustellen, in welcher Situation sich die deutsche CS-Elite im europaweiten Vergleich befindet und ob nicht eventuell doch etwas mehr drin wäre, muss man mit einbeziehen, über wie viele CS:GO Spieler die verschiedenen Länder verfügen bzw. wie groß die jeweiligen Szenen sind (=Playerbase). Ich greife dabei auf Statistiken aus dem Artikel "The State of CS:GO July 2022", veröffentlicht auf dem Blog von Leetify, zurück.
Hierbei zeigt sich, dass wir in Deutschland trotz der nach Polen zweitgrößten Playerbase innerhalb der EU tatsächlich über im Verhältnis hierzu wenige Top-Player verfügen (vergleiche Grafik "Playerbase vs. Top-Players" - grüne Linie). Andere Nationen, allen voran natürlich Dänemark, aber auch Frankreich, Spanien und Schweden, weisen prozentual gesehen einen deutlich höheren Anteil an Spielern in der Weltspitze auf.
Bestätigt wird dieses Resultat außerdem vom Eindruck, den man bei den kürzlich absolvierten europäischen Qualifiern für das IEM Rio Major 2022 gewinnen konnte. Betrachtet man die in jedem Qualifier verbliebenen Top 32 Teams und sucht dort nach deutschen Spielern, wird man nur in wenigen Ausnahmefällen fündig (z.B. bei Sangal mit den Spieler "ScrunK" und "kyuubii"). Andere Nationen, gleich ob aus dem skandinavischen Raum oder aus Osteuropa, sind hier deutlich in der Überzahl.
Fazit und Ausblick
Also doch alles schlecht?! Das wäre sicherlich etwas übertrieben ausgedrückt. Wir haben in Deutschland eine große Playerbase, einige durchaus konkurrenzfähige Organisationen und echte Spitzenspieler. Mit der BIG OMEN Academy steht außerdem eine sehr erfolgreiche "Ausbildungseinrichtung" für deutsche Spieler zur Verfügung, was die letzten Platzierungen im Rahmen der WePlay Academy League eindrucksvoll untermauern.
Was meiner Meinung nach aber fehlt, ist ein solider Unterbau. Teams aus der zweiten Reihe, etwa das schon angesprochene ALTERNATE aTTaX oder auch cowana Gaming sollten zumidest zu den Top 30 Teams in Europa gehören, doch davon kann nach den letzten Eindrücken aus den Qualifiern kaum die Rede sein. Die Gründe hierfür sind vielfältig und liefern vielleicht Stoff für den nächsten Artikel...
Mir ist bewusst, dass diese Betrachtung nicht allumfassend ist. Es war mir jedoch wichtig mit diesem Artikel einen groben Eindruck zu vermitteln, wie sich "unsere" aktuelle Situation im Vergleich zu der in anderen, vergleichbaren Ländern darstellt und so sowohl den unbelehrbaren und ewigen "Nörglern", aber auch den "Schönrednern" etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastartikel von MatWho und seinem Counter-Strike-Blog "This is Counter-Strike". Wenn euch der Artikel gefallen hat schaut auf jeden Fall auf seinem Blog und bei Twitter vorbei.